Liebe Freunde,
draußen gießt der Mairegen Wiesen und Wälder und liefert nach langen Wochen voller Sonnenschein das lebensnotwendige Nass für die Vegetation. Vieles ist geschehen seit unserer letzten Aussendung
kurz vor Weihnachten und das Wichtigste möchten wir Euch wieder kurz zusammenfassen.
Nach den Schneemassen im Winter 2018-19 blieben in dieser Saison die Wiesen meist grün. Nur ein paar mal reichte die Auflage zum Schlittenfahren, Skifahren war in unserem kleinen Skigebiet
Hochlecken nur an drei Tagen möglich. Wir waren aber gar nicht böse, dass es heuer nicht so bitterkalt war: Bald nach dem Jahreswechsel begannen die Geburten unserer Krainer Steinschafe. Unser
Zuchtbock Siegesmund hatte ganze Arbeit geleistet und ab Januar kamen bis April 21 Lämmer zur Welt - 13 Mädchen und 8 Böckerl. Wir sind sehr froh, dass alle Geburten problemlos verliefen. Steffi
hat im Stall Ablammbuchten eingerichtet und war bei fast jeder Geburt dabei. Auch unsere Kinder hatten mehrfach die Gelegenheit, das Wunder zu beobachten, wie neues Leben beginnt. Bei einer der
letzten Zwillingsgeburten Anfang März hat das Mutterschaf den zweitgeborenen Bock nicht angenommen. Alle Versuche, ihn ihr oder einer anderen unterzujubeln, scheiterten und so sind wir nun um die
Erfahrung reicher, ein Flaschenlamm groß zu ziehen. Der Bursche war die ersten vier Wochen im Stall bei uns untergebracht, jetzt rennt er schon mit der Herde mit und bekommt nur noch zweimal am
Tag ein Flascherl.
Almauftrieb der Männer
Siegesmund und drei halbstarke Böcke haben wir letzte Woche auf die Alm gebracht. Ein Freund hat oberhalb von Bad Goisern ein wirklich wunderschönes Fleckerl und dort bleiben die vier Männer nun
über den Sommer - mit prächtigem Ausblick auf den Dachsteingletscher. Der kleine Almauftrieb mit unseren Böcken war ganz problemlos: Brav wie gut erzogene Hunde liefen die vier am Strickerl mit
uns den Forstweg hinauf. Eine schöne Wanderung bei bestem Frühlingswetter! Im Herbst holen wir Siegesmund wieder in den Stall, auf dass er wiederum Vater zahlreicher Lämmer werden kann. Die
anderen drei werden geschlachtet und zu Fleisch, Faschiertem und Wurst verarbeitet. Apropos Wurst: Kurz nach Ostern haben wir aus gut 2 Kilogramm Lammfleisch rohe Bratwürste nach Art der
italienischen Salsiccia selbst hergestellt. Das Ergebnis haben wir zum Kosten und Beurteilen in der Nachbarschaft vereilt und dürfen uns über positive Kritik freuen. Der Erstversuch war also
durchaus passabel, in Kürze produzieren wir - weiter verfeinert - die nächste Charge. Unserem Ziel, bei der Verwertung unserer Schafe und Ziegen möglichst viel selber zu machen, sind wir damit
wieder einen kleinen Schritt näher gekommen. Und außerdem ist es eine wirklich sehr schöne Erfahrung, zumindest einen Teil unserer Lebensmittel selbst herzustellen.
Dank des milden Winters konnten wir heuer die Ziegen schon Mitte März, die Schafe nach dem Ende der Ablammungen Ende April auf die Weiden lassen. Seither freuen sich alle über das frische Gras -
meckern auch über nicht so genehme Stängel - und vor allem der „Kindergarten“ nutzt die Weite zum Herumtoben. Drei Quellfassungen auf den Pachtwiesen haben wir mit Holzzäunen vor dem direkten
Betreten durch die Schafe geschützt. Dazu haben wir Holz aus unserm Wald gefällt und zugeschnitten und waren recht zufrieden mit unserem Werk. Bis die Schafe die Tauglichkeit der Konstruktion
prüften: Die kleinen Lämmer schlüpften unter und zwischen den Querriegeln durch und erklärten den - eigentlich ja gesperrten - Bereich zu ihrem Spielplatz, auf dem sie zu ihrer besonderen Freude
auch noch vor dem erzieherischen Zugriff der Mütter geschützt waren. Mistviecher! Also sind wir noch einmal in den Wald ausgerückt, haben ein paar dünne Fichten umgelegt und aufgetrennt und die
Lücken mit zusätzlichen Latten verkleinert. Die Feuerprobe steht noch aus, die Wetten stehen 1:1, dass die Biester jetzt einfach oben drüber hüpfen…
Das Seelenleben von Schaf und Ziege
Die Geschichte bietet Gelegenheit, ein kurzes - sehr subjektives - Psychogramm unserer zwei Nutztierrassen zu zeichnen: Unsere Krainer Steinschafe sind nicht nur optisch eine recht bunte Truppe: Von scheeweiß bis rabenschwarz sind alle möglichen Scheckungen vertreten, auch eine seltene rötliche Färbung haben wir dabei. So wie das Äußere unterscheidet sich auch der Charakter durchaus. Von äußerst zutraulichen Exemplaren bis zu beinahe panisch-ängstlichen Vertreterinnen haben wir alles dabei - wobei die Zutraulichen die Mehrheit bilden, da sie ja alle durch den täglichen Kontakt mit uns an Menschen gut gewöhnt sind. Ganz typisch Schaf reagieren sie jedoch bei hastigen Bewegungen mit Flucht - und wenn eine rennt, rennen alle. Typisch Schaf halt, Herdentier! Durch laute Geräusche lassen sie sich dagegen nicht beeindrucken. So habe ich im Stall mit dem Bohrhammer schon Löcher in die Wand getrieben, während zwei, drei Schaferl ganz interessiert an der Bohrmaschine geschnuppert haben. Gleichzeitig wird man bei solchen Gelegenheiten auch immer an der Hose, Jacke oder den Schuhen angeknabbert. Denn neugierig sind die Krainer schon ganz arg. Und sie geben auch lautstark zu erkennen, wenn sie mit der Gesamtsituation unzufrieden sind. Gerade im Winter, wenn sie im Stall gefüttert werden, quittieren sie Abweichungen von der gewöhnten Fütterungszeit durch ein mehrstimmiges Mäh-Konzert. Allerdings erst, wenn der säumige Fütterungsbeauftragte auch im Stall erscheint - sonst hört’s ja keiner. Und das wäre ja dann Verschwendung von Ressourcen, die ihnen zuwider ist. Bei allfälligen Untersuchungen und vor allem beim Scheren und bei der Klauenpflege sind unsere Schaferl sehr geduldig. Wenn man sie einmal geschnappt hat - was nicht immer einfach ist und vor allem im Sommer auf der Weide sicher schon zu großer Erheiterung der nahen und ferneren Nachbarschaft beigetragen hat - und sie auf ihren Hintern setzt, bleiben sie in aller Regel brav sitzen. Wie bei den Menschen gibt es auch bei unseren Schafen physische Unterschiede in Wachstum und Verdauungstätigkeit. Da haben wir robsute Allesvertilger neben zarten Mimosen, die auf jede noch so kleine Futterumstellung mit Durchfall reagieren. Und von großen Kalibern, die eher an ein Merino-Schaf glauben lassen, bis zu fast zwergenhaften Frechdachsen reicht die Größenskala der ausgewachsenen Exemplare. Bei vielen unserer Schafe schlagen sich diese individuellen Eigenheiten in den Namen nieder. Wir haben z.B. die verträumte „Blume“, die schneeweiße „Flocke“, die Rothaut „Apanachi“, den kleinen „Zwerg“ oder die grau-melierte „Oma“, um nur ein paar zu nennen.
Während bei den Schafen eine Hierarchie innerhalb der Herde nicht zu erkennen ist, raufen unsere Ziegen diese praktisch jeden Tag neu aus. Damit es deswegen im Winter im Stall nicht zu übermäßigen Verletzungen kommt, hat Steffi zwei Gruppen gebildet und diese jeweils separat untergebracht. So ist es tatsächlich recht friedlich geblieben - bis wir dann alle auf die Weide entlassen haben. Dort nutzen die Tiere den Platz die erste halb Stunde ausschließlich zum Rennen und Springen. Aber dann besinnen sie sich der Rangordnung und stürzen sich mit großer Lust und Heftigkeit in die Zweikämpfe. Dabei richten sie sich auf ihren Hinterläufen hoch auf und krachen mit den Hörnern aufeinander. Auch die unbehornten stellen sich unerschrocken diesen Duellen, die außerordentlich stabile Schädelfront verhindert ernsthafte Verletzungen. Diese fügen sich die Ziegen nur im Ausnahmefall an weicheren Körperregionen zu. Wenn man den Kämpfen eine Zeitlang zuschaut, schmerzt einem ob des lauten Gekraches fast selbst der Schädel. Die Ziegen geben sich aber unbeeindruckt und kaum steht fest, wer nun die Chefin der Herde ist, kommt schon wenig später eine Rivalin, die das gerne wieder in Frage stellt. Besonders gern tragen die Damen diese Kämpfe unter Ausnutzung von Höhenunterschieden im Gelände aus. Das geht bei unseren buckligen Leit’n entweder am Hang oder auf einem der Steinhaufen, die wir extra für die Ziegen aufgeschlichtet haben. Trotz aller Rauferei um die Herde bleiben unsere Ziegen viel mehr Individualisten, als die Schafe. Auch dabei tun sich einige als besondere Exzentriker noch mehr hervor, als der Rest. Und auch was die Kommunikationsfreudigkeit angeht, sind sie sehr unterschiedlich: Während „Hexe“ praktisch jeder Gefühlsregung auch eine Lautäußerung folgen lässt, sind „Hanni“ oder „Fanni“ eher von der ruhigen Sorte. Eine besondere Freude haben unsere Goas’, wenn sie nicht nur Gras fressen müssen, sondern ihnen ihre eigentlich Haupt- und Lieblingsnahrung dargeboten wird: Sträucher und Bäume! Im Winter haben wir sie deshalb im Offenstall immer wieder mit Fichtenästen erfreut, auf der Weide stehende Bäume sind tunlichst und massiv vor Verbiss zu schützen, wenn sie nicht binnen Minuten ihr Leben aushauchen sollen. Das haben wir hin und wieder versäumt und bitter bereut. Diese Lust am Niederfressen und der den Ziegen eigene Starrsinn und Freiheitsdrang machen es auch erforderlich, besondere Sorgfalt auf den Zaunbau zu legen. Bietet sich da nämlich nur eine kleine Schwachstelle, wird diese sofort für einen Ausbruch in dir Freiheit und hin zu verlockenderem Futter genutzt. Und dass es recht lange dauern kann, bis man unsere neun schlauen Sturschädel wieder eingefangen hat, mussten wir auch schon ein paarmal erfahren.
Fortschritte auf den kleinen und großen Baustellen
Auf unsern verschiedenen Baustellen ist es in den Winter- und Frühjahrsmonaten auch weiter gegangen. Wir haben im Erdgeschoss drei neue Haustüren bekommen, auch der direkte Zugang von der Küche zum Hof ist nun endlich möglich - mal wieder erst nach Stemm-, Flex- und Abbrucharbeiten. Im oberen Stockwerk sind alle Holzdecken montiert und die Fußböden verlegt, die meisten Steckdosen und Schalter gesetzt, die Zimmertüren un den Maueröffnungen und die Sockelleisten an der Wand. Leider kann unser Sanitärinstallateur wegen der Grenzschließungen bei uns nicht tätig werden - ihm fehlt es schlicht an Personal. Wir nutzen die Wartezeit für andere Arbeiten wie Beete anlegen im Bauerngartl, Renovierung der kollabierten Güllepumpe, Herstellung von Zaunpfosten für Weidezäune und das Pflanzen neuer Obstbäume. Außerdem steht die Heu-Saison vor der Tür und Stadl sowie Maschinenpark sind entsprechend vorzubereiten. Auch sämtliche Maischefässer im Keller haben wir geleert und gemeinsam mit Alfred an zwei Tagen Apfel-, Birnen- sowie Quittenbrand hergestellt. Die Ausbeute war gering, die Qualität scheint uns ganz ordentlich. Die Feinbrände ruhen jetzt im Lagerkeller ihrer Bestimmung entgegen.
Zu Ostern hat Steffi mit den Kindern aus der Wolle unserer Schafe Filzeier hergestellt - eine lustige Pritschelarbeit mit durchaus ansehnlichem Ergebnis. Der örtliche Musikverein hat die
italienischen Idee des Singens und Musizierens von den Balkonen übernommen und alle Neukirchener für den 15. März zu selbigem aufgefordert. Wir haben das dann bis 1. Mai ausgedehnt und jeden Tag
um 18 Uhr vom Balkon zwei Lieder ins Tal geschmettert. Treue Zuhörer haben das nicht nur verfolgt sondern auch selbst zurückgesungen und -gespielt. Eine herzerfrischende Aktion, die sich bei uns
in einem fast 90-seitigen Liederbuch niedergeschlagen hat, das uns ab sofort bei kommenden Lagerfeuerabenden begleiten wird. Wir freuen uns sehr auf die zukünftigen Treffen, bei denen
Gesichtsverhüllung und Abstand dann ja auch wieder weniger werden dürfen - und wir noch viele Geschichten über unsere Viecher erzählen können...
Wir wünschen Euch Gesundheit von Leib und Seele und freuen uns auf ein Wiedersehen, Ihr seid uns immer herzlich willkommen!
Euer Wolfgang.